Wirtschaftsregion

DIE HERAUSFORDERUNGEN DES MITTELSTANDS IM DIGITALEN ZEITALTER

Veranstaltung der Wirtschaftsförderung Bergstraße „Wirtschaftsregion Bergstraße 4.0“ gibt Unternehmern Überblick über Chancen und Risiken der so genannten „Industrie 4.0“

Die Herausforderungen des Mittelstands im digitalen Zeitalter
Die Referenten und Diskussionsteilnehmer informierten die Unternehmer, was hinter dem Begriff „Industrie 4.0“ steht. Key-Note-Speaker war Staatsminister Boris Rhein, Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst (2.v.r.). - © WFB

18.11.2014: Cyber-physische Systeme schaffen Produkte und Produktionsmittel, die kommunikationsfähig sind, sich selbst steuern und flexibel vernetzt werden können – in einigen Firmen ist dies schon heute Realität. Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution, die zurzeit Einzug in das Wirtschaftsleben hält. Nicht zuletzt für die regionalen mittelständischen Unternehmen, die sich traditionell durch eine hohe Innovationskraft auszeichnen, birgt die neue Entwicklung Chancen, wobei es gilt, bestimmte Risiken nicht außer Acht zu lassen.

Vor diesem Hintergrund lud die Wirtschaftsregion Bergstraße / Wirtschaftsförderung Bergstraße GmbH (WFB) in Kooperation mit der Sparkasse Bensheim am vergangenen Dienstag die Unternehmer aus der Region zur Veranstaltung „Wirtschaftsregion Bergstraße 4.0“ ein. Rund 120 Gäste kamen in die Räume der Sparkasse Bensheim, um von Experten auf dem Gebiet der Industrie 4.0 mehr über dieses Thema zu erfahren.

Die Begrüßung übernahm Hausherr Direktor Dr. Eric Tjarks, Vorsitzender des Vorstands der Sparkasse Bensheim. Auch Bensheims Bürgermeister Thorsten Herrmann ließ es sich nicht nehmen, ein paar Grußworte an die Gäste zu richten. Er wies darauf hin, dass nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Kommunen vor einer neuen Revolution stehen: So stecken beispielsweise hinter dem Begriff „Smart City“ ganzheitliche Konzepte, die Entwicklung der Städte nachhaltiger, effizienter, technologisch fortschrittlicher zu gestalten.

Unter der Überschrift „Wirtschaftsregion Bergstraße 4.0 – Region mit Zukunft“ gab Kreisbeigeordneter Matthias Schimpf einen Überblick über das Thema „Industrie 4.0“. Er unterstrich, dass die neue digitale Revolution bereits in einigen Unternehmen im Kreis Bergstraße, zum Beispiel der Sanner GmbH und TE-Connectivity, erfolgreich genutzt werde. Gerade die Wirtschaftsregion Bergstraße habe hier die Möglichkeit, ihre exzellenten Standortvorteile weiter auszubauen. Für den Technologietransfer zwischen Hochschulen und den Betrieben stehe die WFB den Firmen zur Verfügung, so der Kreisbeigeordnete

Für die Keynote konnte die WFB Staatsminister Boris Rhein, Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst, gewinnen. Er hob hervor, dass die Vernetzung von Unternehmen und Wissenschaft Voraussetzung für eine innovative Wirtschaft in Hessen sei. „Das Thema Industrie 4.0 muss vor Ort angepackt werden“, unterstrich er. Im kommenden Jahr wolle man das Budget für die hessischen Hochschulen um 26 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro aufstocken. Mit der Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) fördere man seit 2008 Verbundvorhaben von Hochschulen und Unternehmen. Als Beispiel nannte er das Projekt „Elektrodesinfektor“, das eine Desinfektion trüber Medien (Kühlschmierstoffe) mittels elektrischer Felder ermögliche. Hier sind unter anderem die TU Darmstadt und die Aqon Water Solutions GmbH, Bensheim, beteiligt. „Die Standortbedingungen in der Wirtschaftsregion Bergstraße sind ideal, es gibt viele Möglichkeiten für die Unternehmen von der Expertise der Hochschulen zu profitieren“, schloss der Minister.

Welche Chancen die digitale Entwicklung für die Wirtschaft birgt, führte Prof. Dr. Ing. Reiner Anderl in seinem darauf folgenden Impulsvortrag aus. Als Fachgebietsleiter Datenverarbeitung in der Konstruktion an der TU Darmstadt und wissenschaftlicher Beirat Plattform Industrie 4.0 gehört er zu den führenden Fachleuten auf diesem Gebiet. „Industrie 4.0 bedeutet eine neue Stufe der Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette über den Lebenszyklus von Produkten“, so der Referent. Als Stichwort nannte er die „intelligente Fabrik“, die so genannte smart factory, in der „smarte“, cyber-physische Systeme sich selbst steuern, bzw. mit sich selbst kommunizieren und so eine neue, datengetriebene Wertschöpfung erzeugen. Die Grundlage seien eingebettete Softwaresysteme. Kunden können in den Innovationsprozess mit eingebunden werden, durch eine neue Produkt- und Dienstleistungsqualität entstehen innovative Geschäftsmodelle. „Industrie 4.0 erfordert noch Forschungs- und Entwicklungsinitiativen, gleichwohl sind bereits anwendbare Lösungen sichtbar.“ Gerade der schon immer kundenorientierte Mittelstand könne in diesem Zusammenhang seine Position ausbauen, verdeutlichte der Referent.

Im Anschluss fand eine Diskussionsrunde statt, bei der Chancen und Risiken von Industrie 4.0 erörtert wurden. Teilnehmer waren Prof. Anderl, Günter Holzhauser, BUSINESS INTELLIGENCE & SECURITY, Monika Kuklok, Leader Innvoation Platforms & Ventures – Industrial, TE-Connectivity, Dr. Thomas Pröckl, Chief Financial Officer, Data Room Services GmbH, sowie Dr. Matthias Zürker, WFB-Geschäftsführer. Die Moderation übernahm Medienprofi Karl-Heinz Schlitt. „Es gibt viele Möglichkeiten, Fertigung sicherer und einfacher zu gestalten“, hob Kuklok hervor. Es gebe hohe Anforderungen an Produkte, wenn ein Unternehmen schnell und effektiv auf Kundenanforderungen reagieren wolle. Vor allem, wenn Unternehmen frühzeitig auf die neuen Entwicklungen reagieren, könnten sie von ihnen nachhaltig profitieren, sagte sie. Auf die Risiken der neuen industriellen Revolution beim Informationsschutz machte Holzhauser aufmerksam. Der Mittelstand dürfe die Gefahren nicht unterschätzen, mahnte der Datensicherheitsexperte. Als Chance für die Unternehmen wertete indes Dr. Pröckl die unter dem Schlagwort Industrie 4.0 zusammengefasste neue Entwicklung. Sein Unternehmen bietet Kunden einen hochsicheren Zugang zu sensiblen Dokumenten sowie deren Austausch mit Dritten über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg. Die Gefahr des Datenklaus betreffe vor allem die schützenswerten, sprich: wettbewerbsrelevanten Informationen, diese müssten besonders gesichert werden. Auch Dr. Zürker unterstrich die Chancen, welche die Digitalisierung und Vernetzung nicht zuletzt für die kleinen und mittleren Unternehmen in der Region mit sich bringen. Mit dem flächendeckenden Breitbandausbau im Kreis Bergstraße, für die sich die WFB engagiert, sei man auf einem guten Wege, dass alle Betriebe in der Wirtschaftsregion Bergstraße „auf der Datenautobahn aus Glasfaser“, so Dr. Zürker, von den neuen Entwicklungen profitieren können.

Das Get together bot den Gästen danach die Gelegenheit, die Impulse zu diskutieren und die Chancen und Risiken von Industrie 4.0 für den Mittelstand in der Wirtschaftsregion Bergstraße  im persönlichen Gespräch zu vertiefen.